Leserbrief Werner Hentschel

Wird Wietze (wieder) abgehängt?

Gemeinden in Niedersachsen können ihre Kosten für die Erneuerung und Verbesserung von Straßen auf die Eigentümer der an die Straße grenzenden Grundstücke umlegen.

Viele tun das auch oder sie kündigen zumindest Erleichterungen für die Anlieger in der Erhebungspraxis an, nachdem die Landesregierung die Vorschriften über Straßenausbaubeiträge ändern will und schon zum Teil geändert hat. Andere Kommunen dagegen, wie zum Beispiel die Stadt Hannover oder unsere Nachbargemeinden Winsen und Hambühren haben diese Straßenausbaubeiträge hingegen abgeschafft. Dort wird die Erneuerung der Straße aus dem eigenen Haushalt (Hannover) oder aus den Einnahmen höherer Grundsteuern (Winsen, Hambühren) bezahlt.

Die Beteiligung der Anlieger an den Ausbaukosten – mitunter tragen sie mit 65 bis 80 Prozent den größten Anteil – ist durchaus nachvollziehbar, denn schließlich hat der Eigentümer nach Ausbau der Straße durch die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung auch einen besonderen Vorteil. Sie führt aber grundsätzlich zu einer einseitigen Doppelbelastung der Grundstückseigentümer. Bei erstmaliger Herstellung der Straße leuchtet ein, dass der Eigentümer im Wesentlichen die Kosten für die Erschließung seines Grundstücks trägt. Wird die gleiche Straße aber nach einer geraumen Zeit wieder hergestellt, weil sie einfach nicht mehr zu reparieren ist, soll er erneut an den Kosten beteiligt werden. Zusätzlich zahlt er über die jährlich zu entrichtenden Grundsteuern auch noch den Anteil der Ausbaukosten mit, den die Gemeinde tragen muss.

Das ist zu kurz und einseitig gedacht; denn mitnichten ist der Anlieger der Einzige, der die Straße und mögliche Gehwege nutzt. Da fahren ganz andere Kaliber rüber, die nicht in der Straße wohnen. Das ist gut und richtig so. Straßen sind nun mal ein wichtiges Instrument einer guten Infrastruktur des Ortes. Sie sind für alle da, gehören aber gleichwohl der Gemeinde, die verantwortlich für die Verkehrssicherheit ist. Der Wertverlust durch allgemeinen Gebrauch und der Erhaltungsaufwand werden aber allein von der Gemeinde getragen. So etwas ist nicht umlagefähig. Aber noch einmal: Straßen werden von der Allgemeinheit benutzt und nicht nur von Anliegern. Also müssen auch alle Nutzer zur Kasse gebeten werden, wenn man neue Straßen nicht aus dem laufenden Haushalt zahlen kann. So einfach ist das.

Aber müssen dazu immer die Grundsteuern erhöht werden? Alternativ müsste es doch der Gemeinde möglich sein, gemäß des Kommunalen Abgabengesetzes, wiederkehrende Straßenausbaubeiträge zu verlangen. Diese werden nicht nur von den direkten Anliegern der Straße entrichtet, sondern von allen Bürgern des Ortes. Die Gemeinde legt alle umlagefähigen Kosten auf sämtliche Einwohner um, also auch auf die, deren Grundstück nicht direkt an der betroffenen Straße liegt und auf die, die gar kein Grundstück haben. Durch dieses Verfahren reduziert sich der zu zahlende Betrag für jeden einzelnen Bürger deutlich. Die jährlich zu entrichtende Summe ist zudem besser kalkulierbar. Mehr Planungssicherheit für den Einzelnen, weniger Aufwand für die Verwaltung!

Aber will Wietze überhaupt eine Änderung? Als in Winsen vor ein paar Jahren Änderungen der Abrechnungspraxis diskutiert und schließlich erfolgreich umgesetzt wurden, zeigte sich zunächst auch in Wietze eine Art Aufbruchstimmung.

Aus dem Rathaus hieß es lt.CZ, das „wäre auch etwas für Wietze“. Unklar war lediglich, wie hoch die Grundsteuer B angehoben werden soll. Zur Kalkulation gäbe es eine Prioritätenliste, ein bisschen älter schon, aber die könnte man ja überarbeiten. Die ersten Schritte schienen gemacht.

Die SPD Wietze lud zu mehreren hochkarätigen Veranstaltungen zu diesem Thema ein und positionierte sich bereits Anfang 2018 mit einem Antrag an die Gemeinde auf „Abschaffung der Erhebung von Beiträgen für die Herrichtung bzw. Sanierung/Erneuerung von Straßen im Gemeindegebiet von Wietze“.

Aber dann ist nichts weiter passiert. Was ist eigentlich aus dem Antrag geworden? Zurückgezogen, nicht behandelt, auf Eis gelegt? Das ist jetzt schon ein paar Jahre her und erinnert ein bisschen an den fast vergessenen, weil immer wieder verschobenen, weiteren Ausbau der Ortsdurchfahrt.

Befürchtungen seitens der SPD wurden laut, eine Umlage durch höhere Grundsteuern wäre ungerecht für Mieter, da der Vermieter dies gleich auf die Miete aufschlagen könnte. Andere haben gerade ihre Anliegerstraße bezahlt und befürchten nun durch eine Erhöhung der Grundsteuer noch mal und zwar jährlich zur Kasse gebeten zu werden. Abenteuerliche Anhebungen der Grundsteuer kamen ins Spiel, die ihren Abschreckungseffekt durchaus erfüllten.

Natürlich braucht man ein belastbares strategisch begründetes Sanierungskonzept, um bei Wegfall der Anliegerbeiträge über eine solide Gegenfinanzierung verfügen zu können. Aber das liegt doch vor oder nicht?

Grundsätzlich ermöglicht die kommunale Selbstverwaltung, dass jede Gemeinde eigenverantwortlich handelt im Rahmen der kommunalen Verfassung. So kann sie auch bestimmen, ob Anlieger zu den Straßenausbaukosten herangezogen werden oder nicht. Die eine Gemeinde machts, die andere nicht. Aber gerade in so einem sensiblen Bereich, der von vielen nach wie vor als ungerecht empfundenen Anliegerbeiträgen, ist jede Gemeinde gut beraten, darauf zu achten, was in dieser Sache die Nachbargemeinde macht; denn natürlich weckt die Entscheidung des Einen Begehrlichkeiten des Anderen. Und in einer Zeit, in der offen schon darüber nachgedacht wurde und wird, auch größere Gemeinden verwaltungsmäßig zu einem Verbund zusammenzulegen, muss erst recht sehr genau über die Gemeindegrenze hinweg geschaut werden. Und Winsen und Hambühren liegen nun einmal dicht an Wietze. Sie teilen sich sogar den Besuch einer Oberschule in Winsen und seit letztem Jahr sogar das entstehende Gymnasium in Hambühren.

Warum erheben die Nachbargemeinden keine Straßenausbaubeiträge mehr und Wietze? Wird Wietze (wieder) abgehängt?

Für Kommunalpolitiker, für die kommunale Selbstverwaltung gilt – wie überall im Land: die größtmögliche Eigenverantwortlichkeit, ein minimaler und absolut verbindlicher Konsens.

Deswegen kann es nur eine Entscheidung geben: die Straßenausbaubeiträge müssen abgeschafft werden!

Werner Hentschel

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